Diese Website verwendet zur Verbesserung der Funktionalität Cookies.

8. Etappe Omsk - Nowosibirsk

von Uwe

8. Etappe Omsk – Nowosibirsk

 

Sonne, Gegenwind. Viele Kilometer nichts, wo man anhalten koennte. Tut man’s, faellt die saugende Riesenfliege Pauty oder die in Augen und Gehoergaenge gehende, nicht minder gierige Maschkifliege ueber einen her. Ein schnelles Foto, ein Schluck aus der Flasche und weiter, dem permanenten Druck des Windes mit Kraft und Willen paroli geboten. Nur der Zugwind der vorbeirauschenden Lkw befreit fuer kurze Zeit von der Last, staendig Motor sein zu muessen. Es ist zum Auflachen: Wegen ihres Fahrverhaltens und der Abgase oft von mir verflucht, koennen sie mich jetzt nicht knapp genug ueberholen, um den Sogeffekt moeglichst lange auszukosten.

Unterwegs treffe ich einen Schweizer, Michael. Er will mit seinem leichteren Rennrad in einem Monat von Wladiwostok nach Archangelsk ueber 10000 km. Jeden Tag 250 km – Wahnsinn! Ohne Sprachkenntnisse, sitzt er nur im Sattel. Das Zelten hat er aufgegeben. “Ein bisschen Komfort muss sein, Dusche, Bett.” - Meine Rede!

 “Wenn man nur nicht so abgezockt wuerde.” Die Hoteladministratoren nehmen von ihm oft 40 Euro “fuer null Komfort.” Ich sage: “Gestern ist es mir auch so gegangen.  Nur im ganzen zu mietende 2-Bett-Zimmer, die eigentlich extra zu bezahlende Dusche auf dem Hof konnte ich vom Preis absetzen, weil sie, nach europaeischem Standard, inbegriffen sein sollte. Der gegen Infektionen oder Rutschgefahr unterzulegende Lattenrost schmierig, dass man sich die Infektionen durch Anfassen woanders holen konnte.” – Das ist es, was mich aergert: Da werden auf der einen Seite “auf Deibel komm raus” die Preise (nicht nur fuer Dienstleistungen) auf europaeisches Niveau getrimmt ohne das Aequivalent dafuer, die Leistung, zu bieten. Da wird einem, in einem anderem Hotel, das Doppelzimmer zum zweifachen Preis vermietet mit dem Hinweis sonst jemanden reinzusetzen (eine in Russland uebliche Praxis, pro Bett zu vermieten), obwohl weitere Zimmer frei sind. Schlimmer noch: wegen Baumassnahmen soll ich mich im Handwaschbecken des Gastraumes waschen. Die Toilette, nur ueber den von Baufahrzeugen zerfurchten Acker zu erreichen, ist ein in den Beton gehacktes Loch. Aber die Bauarbeiter duerfen die Dusche und WC benutzen. Ich beschwere mich. “Na gut, weil Sie es sind…” Goennerhaft schaltet man den Pumpengenerator an. Nachts wecken mich Baugeraeusche. Durch die schlecht oder gar nicht isolierten Waende dringt jedes Geraeusch. Ich mache einen Aufstand, verbitte mir um diese Zeit Bautaetigkeit. Man beleidigt mich, doch das Gerumpel hoert auf. Die  Fenster in dem stickigen Zimmer kann ich nicht oeffnen, weil die Mueckengitter fehlen. Aber volle Preise nehmen!

In einem anderen Hotel, weit und breit nur Pampa, sagt man mir, dass man nur Gaeste mit russischem Pass aufnimmt. Ich weigere mich, im Dunkeln weiterzufahren. Die Administratorin, eine Russlanddeutsche, schreibt mich trotz der Anweisung auf ihren Pass ein.

Fast habe ich das Gefuehl, dass man in dieser Gegend Auslaender nicht besonders mag, doch dann treffe ich wieder auf solche Leute wie die Wirte vom “Dalnoboischtschik” (“Fernfahrer”), die mich auf Kosten des Hauses bewirten und neugierig befragen.

Auch Sergej, mein neuer Gastgeber von “couchsurfing”, ist ein Prachtkerl, stellt mir seine Wohnung samt Waschmaschine, PC und Wohnungsschluessel zur Verfuegung; macht sich Gedanken darueber, wie er mir die Zeit in seiner Stadt moeglichst angenehm  gestalten koennte und aeussert sich vorsichtig ueber sein sich wandelndes Deutschlandbild: “Die letzten Gaeste, ein paar jugendliche deutsche Tramper, wollten nur die ganze Zeit schlafen. Da war nicht viel mit Kultur…”

Und  das Dienstpersonal  von der Raststaette “Aktin”, 90 km vor Novosibirsk, beweist, dass die Lage an der Ost-West-Trasse mit dem erhoehten Kundendurchlauf nicht zwangslaeufig zu Gleichgueltigkeit und Geldgier fuehren muss. Freundlich zu denen, die sich zu benehmen wissen, abweisend zu den Anmassenden oder Ungehobelten, bereit zu Kompromissen, wo es erforderlich ist (z.B. bei meiner Fahrradunterbringung), sind sie noch nicht zu Automaten mutiert. Als das Kuechenkollektiv zusammen mit dem Hotelpersonal im gut gefuehrten Gastraum zum Geburtstag einer Kollegin eine Torte anschneidet, wuensche ich den Frauen “alles Gute zum Geburtstag.” Sie haben es sich verdient.

Bemerkung: Antwort (mail) bekommt Ihr ueber die Rubrik "Kontakt", nicht das "Gaestebuch". Das haengt mit dem Verwaltungsaufwand zusammen, liebe Freunde. Neue Fotos wieder bei: traveldiary.de unter der Rubrik: Asien/Blog

Zurück